Andreas Ohse

Industriekultur in Mitteldeutschland

Verein Mitteldeutscher Umwelt- und Technikpark e.V. (MUT)

Der am 7. April 1994 im Rathaus zu Zeitz gegründete Verein Mitteldeutscher Umwelt und Technikpark e. V. stellt sich das Ziel, unter dem Stichwort "Braunkohle und Umwelt", im Zeitz-Weißenfelser Braunkohlenrevier ein technikgeschichtliches Museumsfeld, als integrierende Maßnahme zur Sicherung der historischen Komponenten und der landschaftsbezogenen Umweltaspekte, aufzubauen.

Hierbei stellt die Brikettfabrik "Herrmannschacht" Zeitz als Industriemuseum einen wesentlichen Ausgangspunkt dar.

In diesem Gesamtumfeld soll übergreifend die soziale Entwicklung in der ersten Phase der Industrialisierung Mitteldeutschlands am Beispiel der Braunkohleförderung und deren Verarbeitung im Zeitz-Weißenfelser Revier, mit den daraus resultierenden Veränderungen in Technik, Umwelt, Landschaft und den Lebensbedingungen, erleb- und erkennbar gemacht werden.

Beispiele für negativen wie positiven Umgang mit den Resten industrieller Anlagen und den vorhandenen Altlasten werden dargestellt, historische Sachzeugen, die die technische Entwicklung und die Lebensbedingungen der hier tätigen Menschen deutlich machen, präsentiert.

Der MUT ist ein Bestandteil des geschichtskulturellen Selbstverständnisses dieser Region.

Er ermöglicht Einblicke in die Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen im Zeitz-Weißenfelser Braunkohlenrevier und setzt sich zum wichtigsten Ziel, die überlieferten Industrieruinen zu rekonstruieren, zu pflegen und die allgegenwärtigen Bergbaufolgelandschaften einem großen Kreis Interessierter (Beobachter sowie Fachleuten) aufzuzeigen.

Das durch Tiefbaubruchfelder, Tagebaurestlöcher, Rekultivierungsbereiche und Hochkippen gekennzeichnete Braunkohlenrevier zwischen Zeitz und Weißenfels ist der Standort von drei international einmaligen Sachzeugen der Braunkohlengewinnung und deren Weiterverarbeitung:

  • Schwelerei Groitzschen, mit der Möglichkeit, die Geschichte des Schwelverfahrens darzustellen
  • Schachtanlage Paul II, der letzte Schacht aus der Braunkohlen-Tiefbau-Periode in Mitteldeutschland,
  • Bergbaumuseum Deuben, das einzige montanhistorische Braunkohlenmuseum Mitteldeutschlands.
Darüber hinaus wird in unmittelbarer Nähe der Stadt Zeitz durch die Mitteldeutsche Braunkohlen-Aktiengesellschaft mbH mit Sitz in Theißen (MIBRAG mbH) auch heute noch Braunkohle im Tagebau Profen-Süd nach neuesten technischen Erkenntnissen gewonnen und den Stromerzeugern in Mitteldeutschland bereitgestellt.

Die Nutzung stillgelegter oder besonders alter Industriebauwerke stößt heute häufig auf Unverständnis. Eine rein museale Nutzung als totes Schauobjekt allein, ist angesichts der vielfachen, als dringlicher empfundenen Aufgaben, kaum zu verantworten. Daher sollen im Vorhaben MUT aktuelle Bezüge hergestellt werden, vor allem in seinem ausgeprägten Umweltaspekt. Daneben werden Erlebnis und Kulturfreiräume geschaffen, die insgesamt die Attraktivität der Region stärken.

Schwelerei Groitzschen
Insbesondere die schon mehrmals erwähnte Brikettfabrik "Herrmannschacht" in Zeitz bildet hierbei eine gewisse Schlüsselposition. Als Ausgangs punkt für technisch oder naturorientierte Exkursionen, aber auch als kultureller Erlebnisort, wird sie in den nächsten Jahren immer weiter zu einem Besucherzentrum Industriekultur entlang der "Mitteldeutschen Straße der Braunkohle" entwickelt.
Schachtanlage Paul II Die Erhaltung und Präsentation der Objekte regt nicht allein Fachleute, interessierte Laien und Bildungseinrichtungen zum Besuch an; die landschaftliche Einmaligkeit hat auch für den steigenden Industrietourismus eine gewisse Anziehungskraft, da hier Einzelstücke von weltweiter Bedeutung teilweise zugänglich gemacht werden.
Das Gesamtprojekt des Mitteldeutschen Umwelt und Technikparks in all seinen Teilen ist darüber hinaus hervorragend geeignet, einen Einblick in die für diese Region des Landes Sachsen Anhalt so wichtige und kenn zeichnende Braunkohlengewinnung und Weiter-verarbeitung zu geben, einst Prosperitätsfaktor, heute Altlast und durch die Strukturkrise, Anstoß für die hier eingetretenen sozialpolitischen Probleme aber auch deren Bewältigung.

Die Braunkohlenindustrie ist ein Stück gelebter Geschichte dieser Region. Ältere Menschen erinnern sich an die Arbeitsstätten ihrer Vergangenheit. Der jungen Generation wird vorgeführt, wie ihre Väter und Großväter und sogar weiter zurückliegende Generationen gelebt und gewirkt haben. Die Bevölkerung identifiziert sich mit diesen Sachzeugen, die durch die gegenwärtige Umwälzung in der Wirtschaft, vermehrte Investitionen und Wandel der Gesellschaft in Gefahr sind, unterzugehen.

Bergbaumuseum Deuben

Aus diesem Grund wurde 1999 das touristische Programm "Industrietours" geschaffen. Hier soll es in den nächsten Jahren möglich sein, die Wandlungen der mitteldeutschen Industrielandschaft den interessierten Touristen aufzuzeigen und im Rahmen von fachkundigen Führungen die geschaffenen Einzelobjekte, wie z.B. die Brikettfabrik Zeitz oder die Baggerstadt FERROPOLIS kennenzulernen.

Gerade die schwerpunktmäßige Rekonstruktion der Brikettfabrik Zeitz stellt einen wichtigen Bereich in der Schaffung eines Besucherzentrums zum weiteren Ausbau der "Mitteldeutschen Straße der Braunkohle" dar.

Wasserturm der Braunkohlengrube "Winterfeld" bei Zembschen

Die Brikettfabrik "Herrmannschacht" in Zeitz
Einleitung
Kennen Sie noch das alte verfallene, mit Bäumen bewachsene Gebäude der ehemaligen Brikettfabrik Zeitz an der Eisenbahnlinie nach Gera, gegenüber der alten Zuckerfabrik Zeitz? Viele werden sich noch vor einigen Jahren gefragt haben, wann diese Ruine denn endlich abgerissen wird. Und jetzt, nach nunmehr sieben Jahren intensiver Arbeit ist der Verein Mitteldeutscher Umwelt und Technikpark seinem Ziel ein gewaltiges Stück näher, dieses verwahrloste Gelände wieder herzurichten und daraus ein technisches Denkmal, eine Schaufabrik, zu machen.
Die Grundlage für die Erbauung der Brikettfabrik legte der damalige Leiter der Zuckerfabrik Zeitz, Richard Herrmann. Er suchte nach einer Möglichkeit, die Zuckerfabrik günstig mit Brennstoffen zu versorgen. Deshalb erwarb er Kohlefelder bei Näthern und Grana, ließ 1866 den Schacht "Neue Sorge" abteufen und baute 1880/81 eine Kohleverladung an der Eisenbahn gegenüber der Zuckerfabrik.
Brikettfabrik Hermannschacht 1993 Schacht und Verladung wurden mit einer Seilbahn verbunden, diese wurde 1883 bis zum Kesselhaus der Zuckerfabrik verlängert.
An der Verladeanlage wurde dann eine Nasspress-Stein-Fabrik errichtet, bevor hier 1889 die Brikettfabrik entstand. Zwei Brikettpressen und zwei Tellertrockner, Baujahr 1883, gingen hier 1889 in Betrieb und 1895 wurde die dritte Presse und der dritte Trockner eingebaut. Der Herrmannschacht ist die einzige Brikettfabrik, die nicht mit der fortschreitenden Entwicklung umgebaut und erweitert wurde, sondern so wie damals nach ihrer Erbauung produzierte, bis 1959 wohlgemerkt. Die maschinelle Ausstattung (Nassdienst, Trockner, Elevator, Brikettpressen) wurden von dem benachbarten Maschinenbauunter nehmen ZEMAG Zeitz geliefert, und verrichteten 70 Jahre ihren Dienst.

Bemerkenswert ist, dass die maschinelle Ausrüstung (mit Ausnahme der Pressen) von einer einzigen 12 PS Dampfmaschine über Transmissionsantrieb bewegt wurde.

Die Dampfmaschine wurde zwar später durch einen Elektromotor ersetzt, die Transmission blieb jedoch unverändert. Nachdem am 31. Dezember 1959 die letzte Schicht gefahren wurde, erkannte man schon damals den industriegeschichtlichen Stellenwert dieser Fabrik und stellte sie 1961 unter Denkmalschutz. Heute ist der Herrmannschacht die älteste noch erhaltene Brikettfabrik der Welt. Der MUT e.V. hat sich zur Aufgabe gemacht, dieses Zeitzeugnis zu erhalten und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Funktionsschema Brikettfabrik
Zeichnung Prof. Dr. O. Wagenbreth)

Nasspress-Stein-Fabrikation

Vor dem Umbau der Brikettfabrik 1952-1954 befand sich in den jetzigen Rohkohlebunker eine NassSteinAnlage, die auf die Gründungsjahre 1876/77 zurückging. Außer dem im Hofbereich wieder sichtbaren Fundamenten der Dampfmaschine ist nur noch eine Funktionsskizze erhalten.

Aus ihr ist folgender technologischer Ablauf ablesbar:

Die Kohle wurde von der Seilbahn herantransportiert und im Vorratsbunker gelagert. Aus diesem wurde die Kohle über Schurren abgezogen und über eine Speisewalze dem Elevator zugeführt, der sie in die zweite Etage förderte und einem in der erste Etage installierten Vorwalzwerk übergab.

Aus diesem gelangte die vorzerkleinerte Kohle mit Wasser versetzt und wurde mittels eines Rührwerkes gründlich durchmischt. Aus dem Mischer fiel die Kohle auf ein Feinwalzwerk, welches sich im Erdgeschoss unmittelbar über der Presse befand.

Die fertig aufbereitete Kohle gelangte in die Nasspresse, die nach dem Prinzip einer Ziegelpresse arbeitete. Der aus der Presse austretende geformte endlose Strang wurde mittels eines Abschneideapparates in einzelne Formsteine zerschnitten.

Die Nasspress-Steine wurden dann in langen Schuppen zur Trocknung gelagert. Die Nass-Stein-Fabrikation war ein Saisonbetrieb, der sich nur auf die frostfreie Jahreszeit beschränkte.

Heute beinhaltet der als Bunker umgebaute Teil Nasspressen aus den Jahren 1945-1947, die als Einzelstücke die schwere Lage der BrennstoffIndustrie nach dem Zweiten Weltkrieg verdeutlichen.

Nasspresse von 1945
Nasspresse von 1946
Brikettfabrikation
Seilbahnstation / Heinzelmannentladung:

Von 1876 bis 1952 gelangte die im Tiefbau geförderte Braunkohle von der Grube "Neue Sorge" über eine Seilbahn zur Brikettfabrik. Mit der Modernisierung 1952 wurde auch der Transport der Braunkohle über die Seilbahn eingestellt und die Kohle über das stark verzweigte Schienennetz an die Brikettfabrik geführt. Eine Schüttgutentladung der Firma Heinzelmann / Hannover verrichtete dann die Entleerung der einzelnen Waggons. Die Braun kohle wurde nicht nur bis zur Einstellung der Brikettierung 1959 benötigt, sondern auch zum Betrieb der Zuckerfabrik bis zum Jahr 1992.

Heinzelmannentladung
Bunker und Nassdienst:

Die Kohle gelangte von der Seilbahnstation in den Vorratsbunker. Aus diesem wurden sie im Erdgeschoss des Nassdiensthauses abgezogen und dem Rohkohleelevator zugeführt. Dieser brachte sie in die Zweite Etage des Nassdienstes und übergab die Kohle zunächst dem oberen Schüttelsieb, bevor sie über Stachel und Glattwalzwerk im unteren Schüttelsieb ankam.

Bunker mit Bananlage zum Nassdienst
Trockendienst und Elevatorhaus:

Die Klarkohle (geklärte, also zerkleinerte Kohle) gelangte aus den Klarkohleelevator auf den Kohleboden des Trockendienstes (Ofenhaus).Da die Gruben und Seilbahnförderung höchstens zweischichtig erfolgte, war der Kohleboden so groß bemessen, dass er den Kohlebedarf für eine Schicht bequem aufnehmen konnte.

Über Zuteilungsvorrichtungen fiel die Kohle in die drei Tellertrockner, in denen die Kohle von rund 55 % Wassergehalt auf einen Restwassergehalt von 18 % heruntergetrocknet wurde. Der bei der Trocknung entstehende Brüden (Dampf) entwich über Abzugsschlote.

iDie fertig getrocknete Trockenkohle gelangte über Austragungsvorrichtungen aus den Tellertrocknern in die im Ofenhausfußboden liegenden Ofenhausschnecke, welche die Kohle der Elevatorschnecke zuführte. Die Elevatorschnecke übergab die Kohle dem Trockenelevator, der diese auf die Höhe des Pressenhausdaches hob. Im Elevatorhaus befand sich auch das zentrale Treppenhaus.

Tellertrocker, 1883

Pressenhaus:

Aus dem Elevator gelangt die Kohle in die, auf dem Pressenhausdach verlaufende Pressenhausschnecke. Aus dieser gelangt die Kohle in je einen über jeder Presse im Obergeschoss des Pressenhauses angeordneten, mehrere Kubikmeter fassenden gemauerten Sammelraum, der als Zwischenbunker diente und in dem eine Nachverdampfung der Trockenkohle und ein Ausgleich der Wassergehaltsspanne des Brikettiergutes stattfand. Aus den Sammelräumen gelangte die Kohle über Füllrümpfe in die Brikettpressen.

Pressenraum

Pressenstandort 1:
Funktionsmodell Doppelzwillingspresse Baujahr 1946-1948, ZEMAG Zeitz; Ehem. Bergbauausstellung Schlossmuseum "Moritzburg" Zeitz

Pressenstandort 2:
Einstrangpresse Baujahr 1883, ZEMAG Zeitz; überführt von der Brikettfabrik "Morgenroth" in Senftenberg 1988, 1997 Einbau der Presse

Pressenstandort 3:
Einstrangpresse Baujahr 1883 (Teile von 1873) ZEMAG Zeitz; erhalten vom Bestand der Brikettfabrik "Herrmannschacht"

Schwenkhaus mit Kühlrinnen
Kohleverladung:

Bevor die fertigen Briketts verladen werden konnten, mussten sie, um eine Selbstentzündung zu vermeiden, abgekühlt werden. Dies geschah in sogenannten Kühlrinnen. Das waren mehrere neben und übereinander angelegte Brikettrinnen, die im Schwenk haus nacheinander und umlaufend beschickt wurden. Dadurch trat eine längere Verweildauer der Briketts in den Rinnen bis zur Verladung ein und damit eine Abkühlung jedes einzelnen Briketts.

Antrieb und Transmission:

Zur Dampferzeugung diente eine Batterie Zweiflammenrohrkessel im Kesselhaus. Die Nasspress-Stein-Fabrik wurde von zwei Dampfmaschinen angetrieben, wovon eine die Nasspresse selbst und die andere die Aufbereitungsmaschine in Gang setzte. Die gesamte Brikettfabrik wurde von einer Dampfmaschine, später von einem Elektromotor angetrieben. Zur Kraftübertragung diente eine durch die gesamte Fabrik führende Transmission. Die Pressen besaßen ebenfalls Dampfantrieb. Mit dem Abdampf der Dampfmaschine wurden die Tellertrockner geheizt.

Motorraum

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